by Niels Anner
Schon als Maschinenbaustudentin faszinierte sie die „Stromerzeugung ohne Umweltverschmutzung“. Jetzt haben Åsa Lyckström und ihr Team in einer bahnbrechenden Forschungseinrichtung in Schweden alles vorbereitet, um sie zu verwirklichen.
„Wir sind gerade in der Montagewerkstatt“, sagt Åsa Lyckström, währen im Hintergrund Gasturbinen, die zusammengebaut werden, surren und piepen. „Und gleich hier draußen haben wir das Zero Emission Hydrogen Turbine Center, wo wir zeigen, wie Gasturbinen und erneuerbare Energien zusammenarbeiten, um nachhaltige und zuverlässige Energiesysteme zu schaffen.“
Lyckström, Nachhaltigkeitsstrategin bei Siemens Energy, gehört zu einem Team von Ingenieuren und Forschern, die den Einsatz von grünem Wasserstoff in Gasturbinen vorantreiben. Im Zentrum in Finspång, Schweden, haben sie ein Modell für die Transformation des Energiesektors geschaffen, das Turbinen, Solarenergie, Wasserstoff und Energiespeicherung nutzt.
„Wir haben alle notwendigen Puzzlestücke an ihrem Platz“, sagt Lyckström. „Es könnte für eine Stadt, für eine Industrie – oder noch größer – skaliert werden.“
Wenn Turbinen mit grünem Wasserstoff betrieben werden, entstehen keine Kohlenstoffemissionen – und er ist zu 100 Prozent erneuerbar.
Åsa Lyckström
Nachhaltigkeitsstrategin bei Siemens Energy
„Dieses Projekt zum Aufbau eines Energiesystems der Zukunft hat drei Jahre gedauert“, sagt Lyckström. Solar- und Windenergie gab es natürlich schon lange, aber es waren komplexere und nachhaltigere Lösungen erforderlich, um Überkapazitäten zu speichern und die von schwankenden Quellen gespeisten Netze auszugleichen.
Künftige Energiesysteme werden daher aus vielen verschiedenen „Puzzleteilen“ bestehen, argumentiert Lyckström. Während die heutigen Gasturbinen sowohl Zuverlässigkeit als auch Flexibilität bei der Stromerzeugung bieten können, werden Energiespeicherung und grüne Brennstoffe wie Wasserstoff von entscheidender Bedeutung sein.
„Die Brücke zwischen Gasturbinen und erneuerbaren Energien ist Wasserstoff“, sagt sie. „Wasserstoff kann im ZEHTC aus Solarenergie und überschüssigem Strom aus Gasturbinen hergestellt werden, und dann verwenden wir diesen Wasserstoff als Brennstoff für die Gasturbine. Wenn Turbinen mit grünem Wasserstoff angetrieben werden, entstehen keine Kohlenstoffemissionen – und er ist zu 100 Prozent erneuerbar.“
Für die 48-jährige Schwedin waren sowohl Technik als auch Nachhaltigkeit immer wichtig. Sie erinnert sich, dass sie schon als Kind von den städtischen Verkehrssystemen mit ihren Straßennetzen, Brücken und Tunneln fasziniert war. Doch als sie ihr Maschinenbaustudium an der Königlich-Technischen Hochschule (KTH) in Stockholm begann, fesselte sie das Thema Energie – „Stromerzeugung ohne Umweltverschmutzung“, wie die Studenten es damals nannten.
Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit waren noch keine Schlagworte, aber als Lyckström die Chance bekam, ihre Masterarbeit über die thermische Energieumwandlung im Ozean auf Hawaii zu schreiben, rückten erneuerbare Energien definitiv in den Fokus. „Es fiel mir auf, dass Hawaii – wie viele andere Teile der Welt – das enorme Energiepotenzial, das in Wind, Sonne und Wasser steckt, nicht nutzt. Natürlich wussten damals viele Menschen auf der ganzen Welt nicht, welchen Wert erneuerbare Energien haben und wie man diese Ressourcen richtig nutzt.“
Als Lyckström zu Siemens Energy kam, stieg sie als technische Vertriebsleiterin für globale Märkte in das Gasturbinengeschäft ein. Sie bringt Perspektiven aus verschiedenen Energiebereichen zusammen und ist überzeugt, dass ein schrittweises Vorgehen für den Übergang unerlässlich ist. „Wir brauchen mehrere Backup-Lösungen für künftige Energiesysteme, die auf volatilen erneuerbaren Energien basieren.“
Deshalb bringt das ZEHTC verschiedene Komponenten zusammen. Ein Elektrolyseur erzeugt Wasserstoff aus Sonnenenergie und überschüssigem Strom aus Gasturbinentests, der sonst ungenutzt bliebe. Eine Batterie trägt zur Erhöhung der Betriebsflexibilität bei und zeigt verschiedene Möglichkeiten der Energiespeicherung auf – entweder als komprimierter Wasserstoff, Strom in Batterien oder beides. Der gespeicherte Wasserstoff wird dann als Gasturbinentreibstoff für den nächsten Test in das Werk zurückgeführt – der Null-Emissionskreislauf ist geschlossen.
„Wir stellen ein großes Interesse unserer Kunden fest, sowohl an betrieblicher Flexibilität zur Unterstützung von Stromnetzen mit schwankenden erneuerbaren Energien als auch am Einsatz von Wasserstoff in Gasturbinen“, sagt Lyckström. Siemens Energy hat die technischen Möglichkeiten für wasserstofftaugliche Turbinen in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert und bereits Mengenanteile von bis zu 75 Prozent erreicht. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 Gasturbinen vollständig mit Wasserstoff zu betreiben.
Wasserstoff ist vielerorts noch nicht in ausreichenden Mengen verfügbar. Aber die Brennstoffflexibilität der Turbinen in Verbindung mit vernetzten Energiesystemen wird einen schrittweisen Übergang ermöglichen, sobald die Infrastruktur aufgebaut ist.
Das Zentrum wird auch wertvolle Daten darüber liefern, wie die verschiedenen Komponenten am besten zusammenwirken, mit dem Ziel, ähnliche Systeme in einem größeren Maßstab zu bauen. Lyckström rechnet damit, dass diese Entwicklung schon in wenigen Jahren zu sehen sein wird.
Sie nennt Deutschland und Kalifornien als Beispiele, in denen hochskalierte Systeme bald eine vielversprechende Lösung bieten könnten. In beiden Staaten gibt es viele Gasturbinenkunden von Siemens Energy, und die erneuerbaren Energien spielen eine immer wichtigere Rolle. Kalifornien zum Beispiel will bis 2045 eine fossilfreie Stromerzeugung erreichen. Dafür ist eine umfangreiche Infrastruktur zur Erzeugung grüner Brennstoffe und zum Ausgleich des Netzes erforderlich. „Richtig vernetzt könnte sich ganz Kalifornien zu einem ZEHTC in sehr großem Maßstab entwickeln.“
Åsa Lyckström trat zunächst als Praktikantin in das Unternehmen ein. Heute hilft sie bei der Betreuung von Studenten und Auszubildenden in Finspång, die zu einer internationalen Belegschaft mit 75 Nationalitäten gehören. Und Projekte wie das ZEHTC tragen dazu bei, talentierte Ingenieure anzuziehen, von denen viele über eine gute Ausbildung in der Wasserstofftechnologie verfügen.
„Sie kommen nicht wegen der schönen schwedischen Natur, den vielen Seen gleich um die Ecke – auch wenn das definitiv ein Plus für Finspång ist“, lacht sie. „Nein, was sie interessiert, ist, wie sie dazu beitragen können, das Pariser Abkommen zu erfüllen.“
Heute geben Abkommen und globale Ziele wie das Pariser Abkommen und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen eine klare Richtung für Unternehmen und Länder vor, sagt Lyckström: „Wir möchten mit unseren Produkten dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Und das in einer Zeit, in der der weltweite Energiebedarf steigen wird.“
1. Oktober 2021
Niels Anner ist ein unabhängiger Journalist mit Sitz in Kopenhagen, der über Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft in Nordeuropa schreibt.
Kombinierter Bild- und Videonachweis: Lasse Burel